Colonia Fotos
Anfang der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde die staatliche italienische Erdölgesellschaft ENI gegründet, deren Initiator und erster Direktor der fortschrittlich eingestellte, sehr umstrittene Ex-Partisan Enrico Mattei (1962 ermordet) war. Zu seinen Überzeugungen zählte es, dass sämtlichen Beschäftigten des Unternehmens funktionierende soziale Strukturen zur Verfügung gestellt werden sollten. Als Krönung dieser Bemühungen kann wohl ein Ferienort bezeichnet werden, den er in den Dolomiten eigens und ausschließlich für ENI-Mitarbeiter errichten ließ. Mattei gewann für dieses Vorhaben den jungen Architekten Edoardo Gellner, der kurz zuvor mit einigen Olympia-Bauten im nahe gelegenen Cortina d'Ampezzo auf sich aufmerksam gemacht hatte. Dieser schuf in Zusammenarbeit mit dem Star-Architekten Carlo Scarpa den größten alpinen Ferien-Komplex in ganz Europa. Der als „Villaggio Eni“ bekannt gewordene Ort umfasste 263 Ferienhäuser, Hotels, Restaurants und ein riesiges Ferienlager, in welchem gleichzeitig bis zu 800 Kinder der Arbeiter und Angestellten Platz fanden. Zu Beginn der neunziger Jahre wurde die Aktivität des gesamten Komplexes eingestellt, da Form und Notwendigkeit überholt waren. Während die einzelnen Häuser und Hotels an Private verkauft werden konnten, steht das architektonisch und in seinen Ausmaßen einzigartige Ferienlager noch immer leer.
Genau darauf konzentriert sich der Autor, und er sucht in seiner Arbeit nach Details, die auf die Präsenz und das Leben der zigtausenden von Kindern hindeuten, die in dieser Struktur ihre Ferien verbracht haben. Er geht hierbei so nah an die Architektur heran, dass seine teilweise ins Abstrakte gehenden Bilder die Dominanz eines verlassenen Ortes umgehen und dem Betrachter somit erlauben, sich seinen persönlichen Vorstellungen und Interpretationen zu öffnen. Wichtige Intentionen des Architekten, ganz besonders was Farben und Materialien betrifft, werden in den Mittelpunkt der Bilder gestellt; der serielle Aspekt in der Arbeit des Fotografen bezieht sich auf sich ständig wiederholende, aber in Details unterschiedliche Raumlösungen, die die Vielzahl der Kinder in dem Ferienlager (ital.colonia) widerspiegeln.